Under the Fig Trees
Regie: Erige Sehiri
Darst.: Ameni Fdhili, Fide Fdhili, Feten Fdhili, Samar Sifi, Leila Ouhebi, Hneya Ben Elhedi Sbahi, Gaith Mendassi, Abdelhak Mrabti, Fedi Ben Achour, Firas Amri u.a.
An einem Sommertag im ländlichen Tunesien wartet im Morgengrauen eine Gruppe älterer und junger Frauen am Strassenrand. Ein Lieferwagen hält an, sie klettern auf die Ladefläche, einige Männer kommen hinzu. Die Fahrt führt zu einer Feigenbaum-Plantage, wo die Arbeiter:innen den ganzen Tag lang die reifen Früchte pflücken werden. Wenig Weltbewegendes wird in der Hitze unter dem Dach der Bäume passieren. Doch bis am Abend, wenn der Film mit der Rückfahrt endet, werden wir viel erfahren haben über die Arbeiter:innen, ihre Träume und Hoffnungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen. Denn während sie zwischen den grossen Blättern die erntereifen Feigen suchen und behutsam abnehmen, bleibt Zeit für Gespräche. Zumindest wenn sie sich unbeobachtet vom Chef wähnen, der sie mit strenger Autorität anführt. Meist arbeiten sie ungestört zu zweit, wobei es zwischen den jungen Männern und Frauen zu unbeschwerten Unterhaltungen oder gar zu Flirts kommt, wie sie in der Öffentlichkeit so nicht möglich wären. Die Kamera von Frida Marzouk, die das Sonnenlicht zwischen den Bäumen berückend einfängt, gesellt sich ganz nah zu diesen Plaudereien hinzu, in denen gescherzt, aber auch mal gezankt wird. Meist drehen sich die Gespräche aber um ernste Themen, die persönlichen Zukunftsaussichten, die Bedeutung von Liebe oder die Erwartungen an einen künftigen Ehemann. Man merkt der tunesischen Regisseurin Erige Sehiri ihre Erfahrung als Dokumentarfilmerin an; aufmerksam und geduldig beobachtet sie den Ernte-Alltag, die Rollen hat sie mit Laienschauspieler:innen besetzt. Sie nutzt diese Szenerie für einen einnehmenden und feinsinnigen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse im heutigen Tunesien, auf die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb dieser heterogenen Gruppe. Die verhandelten Gender-, Generationen- und Klassenfragen oder Aspekte wie Ausbeutung und Unterdrückung werfen kleine Schatten in die vermeintlich sommerlich-impressionistische Leichtigkeit, um einen spätestens nach dem Film wieder einzuholen. The Hollywood Reporter schreibt: «Ein vergnügliches und eindringliches Erlebnis.»