Katharine The Great
von Pamela Jahn
Es gibt Filme, die sind fast zu verrückt für diese Welt: «Bringing up Baby» (1937) zum Beispiel, mit Katharine Hepburn und Cary Grant. Sie, eine anarchisch-freigeistige Millionärserbin, hat ihr Haustier, einen Leoparden, im Wald verloren. Er, ein leicht vertrottelter Paläontologe auf der Suche nach einem Dinosaurierknochen, soll ihr helfen, das Tier wieder einzufangen. Über unzählige Missgeschicke und immer grotesker werdende Situationen kommt sich das ungleiche Paar näher. Doch von vornherein ist klar, wer in dieser wilden Romanze die Hosen anhat: «Wir müssen nachdenken», sagt Hepburns Susan in ihrer Not. Der überforderte Professor erwidert resigniert: «Tun Sie das, Sie denken schneller.» Das Kompliment sitzt – und es ist angebracht.
Katharine Hepburn wusste Lob und Ehre stets zu schätzen. Vier Oscars und zwölf Nominierungen als beste Darstellerin sprechen für sich. Aber die 1907 in Hartford, Connecticut, geborene Grand Dame Hollywoods hatte auch kein Problem damit, anzuecken. Wenn ihr etwas missfiel, konnte sie energisch und störrisch sein, wie in so mancher ihrer Rollen: In der Tennessee-Williams-Verfilmung «Suddenly, Last Summer» (1959) etwa verkörperte sie die Inkarnation des Bösen; oder sie gab die prüde christliche Missionarin an der Seite von Humphrey Bogarts versoffenem Abenteurer in John Hustons «The African Queen» (1951). Auch als grosse Komödiantin bewies sie sich immer wieder. Ihr Auftritt als anspruchsvolles Socialite in dem Screwball-Klassiker «The Philadelphia Story» (1940) ist sicher das berühmteste Beispiel. Nur Frauenfiguren, die einfältig, weinerlich oder bedürftig waren, spielte sie nie.
Zu verdanken hatte Hepburn ihr selbstbewusstes Auftreten der Erziehung in einem Elternhaus von aussergewöhnlich liberaler Intellektualität. Die Strenge des Vaters, eines angesehenen Chirurgen, und die vorgelebte Freiheit ihrer Mutter, einer leidenschaftlichen Frauenrechtlerin, wappneten die junge Kate schon früh für eine patriarchalische Welt, in der Frauen die hohe Schule der Widerspenstigkeit beherrschen mussten, um voranzukommen. Hepburn war darin eine Meisterin.
Für eine, ja, vielleicht sogar die glorreichste Schauspielerin der Filmgeschichte entsprach Hepburn zudem nicht dem damaligen Schönheitsideal im konventionellen Sinn. Sie hatte Sommersprossen und kupferrotes Haar, dazu ein «eckiges Gesicht und einen eckigen Körper, und vermutlich auch eine eckige Persönlichkeit», wie sie sich selbst einmal beschrieb. Ihr Geheimnis lag im strahlenden Glanz ihrer Augen, der zeitlosen Eleganz, die sie ausstrahlte, und ihrem eigenwilligen Stil. Damit elektrifizierte sie wie keine andere das Publikum. Selbst den gewöhnlichsten oder absurdesten Handlungen verstand sie, Dramatik und Bedeutung zu verleihen.
Eine der ersten, die Hepburns enormes Potenzial erkannte, war die Regisseurin Dorothy Arzner. In dem romantischen Drama «Christopher Strong» (1933) besetzte sie die damals noch relativ unerfahrene Newcomerin in ihrer ersten Hauptrolle als britische Aristokratin Lady Cynthia Darrington, die das längst verflossene Familienvermögen als Flugpionierin wieder aufzustocken versucht. Von der Liebe versteht die junge Dame wenig, bis sie sich in einen verheirateten Mann verliebt. Als sie schwanger wird, versucht er sie vom Fliegen abzubringen, aber seine Gattin verlassen will er nicht.
Anstatt sich ihrem Geliebten zu fügen, hält Cynthia bis zum – buchstäblich – bestürzenden Ende an ihrer Überzeugung und der eigenen Würde fest. Es war eine Rolle, die perfekt zu Hepburn passte, allein: Hepburn passte nicht ins amerikanische Studiosystem. Da half auch der erste Oscar nichts, den sie 1933 für ihren dritten Film, «Morning Glory», gewann. Tatsächlich dauerte es eine Weile, bis die unbeugsame, am liebsten Hosen tragende Kate ganz Hollywood bezaubern sollte. Ende der 1930er-Jahre galt sie dort neben gleichgesinnten Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich oder Bette Davis noch als «Kassengift».
Hepburn kehrte zunächst an den Broadway zurück, wo ihr Freund Philip Barry bald darauf ein Stück für sie schrieb, «The Philadelphia Story». Angeblich arbeiteten die beiden sogar gemeinsam an der Entwicklung ihrer Figur, die zuerst verwöhnt, dann verunsichert ist – und schliesslich verliebt. «Mach sie wie mich», soll Hepburn dem Theaterautor gesagt haben, «aber lass sie am Ende ganz weich werden.» Er befolgte ihren Rat. Aus dem Stück wurde ein Film, unter der Bedingung, dass Hepburn ein Mitspracherecht bei der Produktion bekam. Unter der Regie von George Cukor und mit Cary Grant und James Stewart als für ordentlich Verwirrung stiftende Männer an ihrer Seite wurde die Komödie zum Welterfolg – und Hepburn zum ewigen Star.
Nur manchmal musste sie auf der Leinwand für ihre Weltlichkeit und feministische Überzeugung büssen, wie eine Szene in «Woman of the Year» (1942) von George Stevens’ deutlich macht. Darin spielt sie Tess Harding, eine weltoffene Auslandskorrespondentin für eine New Yorker Zeitung, die mit ihrer forschen Art den Zorn ihres Sportreporter-Kollegen Sam Craig (Spencer Tracy) auf sich zieht. Zwar weicht die Feindseligkeit auch hier bald der Liebe, und das Paar eilt zum Altar. Aber scheinbar unüberwindliche Klassen- und Charakterunterschiede belasten die Beziehung, die sich zuspitzt, als Tess zur Strafe für ihren Ehrgeiz und ihre Unzulänglichkeiten als Mutter dem selbstgefälligen Ehemann ein Rührei-Frühstück zubereiten muss, um zu beweisen, dass sie doch «nur eine Frau» ist.
Hinter der Kamera stellte Tracy schnell fest, dass Hepburn vieles mehr war als das. Insgesamt drehten sie neun Filme zusammen, abseits der Leinwand verband sie eine innige, 25 Jahre dauernde Romanze, obwohl er ebenfalls verheiratet war und sie ihre Beziehung bis kurz vor seinem Tod nie öffentlich machten. Tracy starb 1967 nur wenige Wochen nach Abschluss der Dreharbeiten zu Stanley Kramers «Guess Who’s Coming To Dinner», in dem sie ein weisses liberales Paar spielen, dessen Tochter ihren schwarzen Verlobten mit nach Hause bringt. Tracys Monolog gegen Ende des Films ist eine der schönsten Liebeserklärungen, die Hollywood jemals auf Celluloid festgehalten hat. Hepburn sitzt ihm in dieser Szene mit Tränen in den Augen gegenüber, als er seine Tochter, ihren Fiancé und dessen Eltern anspricht: «Das Einzige, was zählt, ist, was sie fühlen und wie viel sie füreinander empfinden. Und wenn es nur halb so viel ist wie das, was wir gefühlt haben, dann ist es alles.» Der tiefe, herzliche Blick zwischen Tracy und Hepburn, der darauf folgt, bricht einem das Herz.
Ihren letzten Oscar erhielt Hepburn 1981 für «On Golden Pond», ein nicht minder bewegendes Drama, in dem die fürsorgliche Ethel Thayer (Hepburn) liebevoll für ihren mürrischen und zunehmend vergesslichen Ehemann (Henry Fonda) sorgt. Gemeinsam verbringen sie wie jedes Jahr den Sommer in ihrem Ferienhaus am Ufer des Golden Pond in Neuengland; dort müssen sie sich diesmal jedoch mit ihrer einzigen Tochter (Jane Fonda) versöhnen. Hepburns Aufgabe ist es, sich mit Takt und Feingefühl um die Launen ihres Mannes zu kümmern; ihre würdevolle Zurückhaltung hat grossen Stil.
Es gibt nicht viele Filme in Hepburns Karriere, die die Art von Eleganz und Einsamkeit vermitteln, die der Regisseur Mark Rydell ihr hier zugesteht. Vielleicht der Einzige, der dies noch zu übertreffen wusste, war David Lean in «Summertime» (1955), einem bittersüssen Drama mit Hepburn in der Rolle einer schönen, sehnsüchtigen Single-Frau aus Akron, Ohio, die sich mit einer Reise nach Venedig einen Kindheitstraum erfüllt – und natürlich bleibt auch in der Stadt der Liebe das Gefühlschaos nicht aus.
Die witzigste und ungewöhnlichste aller Beziehungskonstellationen, die Hepburn im Laufe ihrer Karriere durchgespielt hat, bleibt jedoch ihr Zusammentreffen mit Humphrey Bogart im afrikanischen Urwald. Ihr Regisseur und Freund John Huston überliess ihr in «The African Queen» die besten Pointen: «Ich hätte nie gedacht, dass eine rein körperliche Erfahrung so anregend sein könnte», staunt die spröde Missionarstochter Rose Sayer, gespielt von Hepburn mit hohem Stehkragen und breitkrempigem Hut, nachdem sie gerade ein klappriges altes Boot flussabwärts durch gefährliche Stromschnellen gesteuert hat. Es ist eine kleine grosse Szene und das ehrliche Geständnis einer ebenso naiven wie mutigen Frau. Aber noch schöner ist eigentlich, wenn dieses widerborstige, nicht mehr ganz so junge Mädchen Bogarts ausgebrannten Flusskapitän am Morgen nach ihrer Liebesnacht zärtlich mit den Worten begrüsst: «Mr. Allnutt, mein Lieber, wie lautet Ihr Vorname?» Unvergessliche Filmmomente wie dieser waren Katharine Hepburns Spezialität. Sie im Kino neu- oder wiederzuentdecken ist ein besonderes Vergnügen. Nicht umsonst nennt man die einzigartige Schauspielerin bis heute immer noch gerne «Katharine The Great».
Pamela Jahn ist freie Autorin und Journalistin. Sie schreibt u.a. für das ray Filmmagazin, FAQ und Filmbulletin. Sie lebt in London und ist dort auch als Übersetzerin und Filmkuratorin tätig.