Les Amours imaginaires

CA 2010, 101 Min., DCP, F/d, ab 12 Jahren
Regie: Xavier Dolan
Darst.: Xavier Dolan, Monia Chokri, Niels Schneider, Anne Dorval, Anne-Élisabeth Bossé, Olivier Morin, Magalie Lépine Blondeau, Éric Bruneau, Gabriel Lessard u.a.

Marie, Hipsterkönigin im angesagten Retrolook und mit sorgfältiger Turmfrisur, und Francis, ein kleiner James Dean mit schwarzer Brille und hochgegeltem Haar, sind schick, cool und beste Freund:innen. Als sie auf einer Party den engelsgleichen Nicolas kennenlernen, ist es um beide geschehen. Der geheimnisvolle «homme fatale» verdreht den lebenslustigen Zwanzigjährigen den Kopf. Sie ziehen mit ihm durch Montreal und buhlen um seine Gunst. Jedes Wort und jede Geste, seien sie auch noch so vage, deuten sie als Liebesbeweis. In ihrer verzehrenden Leidenschaft beginnen Francis und Marie sich gegenseitig eifersüchtig zu beobachten, und bemühen sich, die aufkeimende Rivalität unter dem Mantel ihrer Freundschaft zu verbergen. Die Dreiecksgeschichte des damals 21-jährigen Frankokanadiers Xavier Dolan ist verspielt, betörend elegant und von flirrender Leichtigkeit. Wie bereits in seinem Erstling «J’ai tué ma mère» war er nicht nur für Drehbuch und Regie verantwortlich, sondern spielte auch gleich eine seiner Hauptfiguren. Mit Rückgriff auf die ästhetischen Codes von Vorbildern wie Jean-Luc Godard, Pedro Almodóvar oder Wong Kar Wai zelebriert Dolan die Oberflächen, die Frisuren und die Kleider dieses Student:innenmilieus, weniger zornig zwar als in seinem Debüt, aber ebenso eigenwillig: mit einem frappierenden Einsatz von Zeitlupe, die die Verliebten gleichsam entrückt schweben lässt, mit Zooms und manieristischen Farbstilisierungen, darunter immer wieder Rot, die Farbe der Liebe, der Leidenschaft und des Verlangens. Rainer Gansera schreibt in der Süddeutschen Zeitung: «Spielerisch souverän in Szene gesetzt, mit einer schönen Balance aus popkulturellen Referenzen, Poesie und existenziellem Ernst, gemäss der Nouvelle-Vague-Programmatik: ‹Ein Film muss eine Liebeserklärung sein, erzählt in der ersten Person, wahrhaftig wie ein Bekenntnis oder Tagebuch!› Mit ‹Les Amours imaginaires› bleibt Dolan dieser Programmatik treu und lässt sie auf staunenswerte Art ausreifen: mit pointierten Dialogen, visuellen Capriccios und einer Wahrhaftigkeit, die mitten ins Herz enttäuschter Liebe zielt. Das Trio (eine modernisierte und invertierte ‹Jules et Jim›-Konstellation), dem er sich in Montreal an die Fersen heftet, ergibt einen geheimnisvollen, ironisch gebrochenen Dreiklang.»