Der Vormund und sein Dichter

BRD 1978, 87 min, D
Regie: Percy Adlon nach dem Buch von Carl Seelig
Darst.: Rolf Illig, Horst Raspe, Karin Anselm (Stimme), Leo Bardischewski (Stimme), Rainer Buck (Stimme) Alois Maria Giani (Stimme)

Ab 1936 besuchte der Zürcher Kritiker, Herausgeber und Künstlermäzen Carl Seelig den Dichter Robert Walser zwei- bis dreimal im Jahr in der Heil- und Pflegeanstalt Herisau zu einem Tagesspaziergang. Diese Gänge sind eher ungemütlich. Schon das Tempo, das angeschlagen wird, hat Wettkampfcharakter. Die beiden laufen bei jedem Wetter, steigen über Zäune, rutschen Abhänge hinunter, waten durch tiefen Schnee und kehren an einem solchen Lauftag bis siebenmal ein. 1940 wird Seelig Walsers Vormund. Walser starb auf einem Schneespaziergang. Das Schneebild bestimmt den Film. Die Gänge finden – anders als in Wirklichkeit – nur im Winter statt. Sie wechseln mit Szenen in der Anstalt: 23 Jahre Tüten kleben, Tische waschen, in der Ecke stehen, Zeitschriften lesen und nachts im Schlafsaal mit elf anderen. «Rolf Illig spielt Robert Walser, so mutmasslich walserisch, dass man alle Elemente, die man als Leser aus Walsers Prosa kennt, in schierer Mimik und Gestik wiederzuerkennen glaubt. (…) Dass Illig die Rolle seines Lebens beinahe abgelehnt hätte, weil er anfangs glaubte, er könne Walsers Regenschirm nicht richtig halten, gehört zu den Begleit-Anekdoten dieses Films, in dem auch die Appenzeller Landschaft kongenial mitspielt: Mit ihren Hügeln und Zäunen spiegelt sie ein ‹Poetenleben›, das an seiner eigenen finanziellen Unstetigkeit zerbrach, in seiner Sehnsucht nach verlässlichen Linien und Banden wieder.» Marc Reichwein, literaturkritik.de