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Tokyo Family
Regie: Yôji Yamada
Darst.: Isao Hashizume, Kazuko Yoshiyuki, Masahiko Nishimura, Yui Natsukawa, Tomoko Nakajima, Shozo Hayashiya, Shozo Hayashiya u.a.
Ein Regisseur verneigt sich vor seinem Lehrer und Vorbild: Yôji Yamada war 22, als er 1953 bei Yasujirô Ozu (1903–1963) in «Tokyo Monogatari» (Die Reise nach Tokio) assistierte. 60 Jahre später hat sich nun Yamada erneut dieser Familiengeschichte, einem Meisterwerk des Weltkinos, angenommen. Mit nur wenigen Abweichungen holt Yamada, selber längst ein Grosser des japanischen Kinos, in seinem Remake die Geschichte des Ehepaares Hirayama ins Japan von heute – für dessen Gesellschaft die Katastrophe vom März 2011 in Fukushima ein ähnliches Trauma darstellt wie sechs Jahrzehnte zuvor der damals erst wenige Jahre zurückliegende Zweite Weltkrieg. Noch einmal verlässt das alte Paar das beschauliche Leben in der Provinz, um Kinder und Enkel in Tokio zu besuchen. Doch die beiden müssen erleben, dass weder der älteste Sohn, ein Arzt, noch die älteste Tochter, die einen Schönheitssalon betreibt, Zeit für sie haben. Auch der jüngste Sohn geht seine eigenen Wege. In der Hektik der Grossstadt wirkt das alte Paar vom Land einsam und verloren. Yamada übernimmt Ozus ruhigen Blick auf die Familiensituation, in der sich auch 60 Jahre später die Generationen nicht nähergekommen sind – ganz im Gegenteil, denn die Jüngeren müssen sich in einer noch viel unübersichtlicheren Welt behaupten als 1953, und die Alten verstehen diese Welt nicht mehr. «Im Gegensatz zu Ozu (…) geht Yamada versöhnlich um mit seinen Figuren, die sich bemühen, in einem Land des wirtschaftlichen Stillstands zu überleben. Das ist betont schlicht inszeniert, nur kurz erscheint von Zeit zu Zeit als Verneigung vor dem Meister eine von dessen Einstellungen zitiert. (…) Zutiefst ergreifend aber ist zuletzt nicht das unvermittelte, rasche Sterben der Mutter, sondern die Meisterschaft, mit der der achtzigjährige Regisseur zuvor die letzten bewussten Momente dieses Lebens als Erfüllung und Vollendung zu gestalten versteht.» Christoph Egger, NZZ