Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.

CH 1976, 99 Min., DCP, D/Dialekt, ab 16 Jahren
Regie: Richard Dindo, Niklaus Meienberg

Mit Richard Dindos Dokumentarfilm nach Niklaus Meienbergs gleichnamigen Buch begann die Aufarbeitung eines wichtigen Stücks St.Galler und Schweizer Geschichte. «Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.» gilt als Schlüsselwerk des Neuen Schweizer Films, da er sich äusserst kritisch mit dem Thema Zweiter Weltkrieg auseinandersetzte, Geschichte von unten erzählte und mit der Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen Methoden der Oral History aufgriff, die in der akademischen Geschichtsschreibung bis dahin noch kaum genutzt wurden. Erzählt wird die erschütternde Geschichte des St.Gallers Ernst S., der als erster von 17 Männern 1942 wegen Landesverrats hingerichtet wurde. Als jüngstes von vielen Geschwistern einer armen Arbeiterfamilie aus dem St.Galler Sittertobel verlor Ernst S. früh die Mutter. Er sei ein Tagträumer und Hallodri gewesen, den man einfach gern gehabt habe. Als er mit 14 Jahren die Arbeit in der Färberei hinschmeisst, kommt er ins Heim. Die Rekrutenschule muss er wegen zu vieler Krankheitstage zweimal absolvieren, danach nimmt er lieber Gesangsstunden, als sich für wenige Rappen pro Stunde zu verdingen. Michael Bodmer schreibt auf filmo.ch: «‹Die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen›: Diese These wird aufs Schönste illustriert von der Geschichte des Ernst S., die der wegweisende Dokumentarfilm von Niklaus Meienberg und Richard Dindo aufrollt. Ernst S., als naiver, randständiger Möchtegern-Bohemien in St.Gallen aufgewachsen, wollte nicht für ein paar Rappen Stundenlohn in Fabriken malochen, machte lieber Musik und verhökerte 1941 ein paar gemauste Granaten an die Deutschen, um Bier zu kaufen. Dafür wurde er nachts in einem Wald als Landesverräter erschossen, während der halbe Bundesrat, Emil Bührle und andere angesehene Eidgenossen ungestraft den Nazis den Teppich ausrollten und mit ihnen grosse Geschäfte machten. Ein wichtiges und haarsträubendes Stück helvetische Vergangenheitsbewältigung, in dem die Aussagen der Angehörigen von Ernst S. gleich viel Gewicht erhalten wie die Erkenntnisse des Historikers Edgar Bonjour. Ist es Zufall oder Schicksal, dass der Loser Ernst S. dasselbe Lieblingslied hatte wie der Dällebach Kari?»