Von Konrad Bitterli
Zur Ausstellung von Paul McCarthy in der Lokremise zeigt das Kinok in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum St.Gallen zwei aktuelle Filme des Künstlers: «White Snow Mammoth» und «White Snow 4 Channel, Single Projection, 7 Hours», ein siebenstündiges Epos.
Der 1945 in Salt Lake City, Utah, geborene Paul McCarthy studierte Kunst an der University of Utah und graduierte 1969 mit einem BFA für Malerei am San Francisco Art Institute. Anschliessend studierte er Film, Video und Kunst an der Universität von Südkalifornien, wo er 1972 mit einem MFA abschloss. Von 1982 bis 2002 unterrichtete er Performance, Video, Installation und Geschichte performativer Kunst an der University of California in Los Angeles. In St.Gallen ist der Künstler kein Unbekannter. 1999 eröffnete die Sammlung Hauser & Wirth ihre neuen Räume in der Lokremise mit der Paul-McCarthy-Ausstellung «Dimensions of the Mind», zudem wurden einige seiner Arbeiten in der Kunstgiesserei St.Gallen realisiert. Paul McCarthy lebt und arbeitet in Los Angeles.
Die Filme, die Paul McCarthy zusammen mit seinem Sohn Damon McCarthy realisiert, basieren auf der berühmten Geschichte von Schneewittchen. Allerdings geht McCarthy weniger von dem 1812 von den Gebrüdern Grimm publizierten Märchen aus, sondern bezieht sich auf den bekannten, 1937 von Walt Disney produzierten Zeichentrickfilm. In der Umdeutung europäischer Märchen in amerikanische Filmtraditionen bildet «White Snow» die Basis für einen seit 2009 entwickelten umfangreichen Werkkomplex von Zeichnungen, Skulpturen und Filmen zum Thema: «Indem er Bilder und Erzählungen der Kulturindustrie appropriiert, blickt McCarthy nach Hollywood und nutzt dessen Taktik des Restrukturierens von Realität. Wie Walt Disney nimmt er die Rolle des Künstlers als Produzenten ein, eine Rolle, die er in ‹White Snow› auch selbst spielt. Mit den aktuellen ‹White-Snow›-Werken spielt McCarthy an auf Disneys Beitrag zur Blüte des Zeichentrickfilms und wirft Fragen auf, wie das Werk eines Künstlers Definitionen von Kunst, Kultur und des Denkens überhaupt in Frage stellt und neu bestimmt. (Pressetext zur Ausstellung Paul McCarthy and Damon McCarthy: Rebel Dabble Babble bei Hauser & Wirth New York 2013)
Konrad Bitterli ist stellvertretender Direktor des Kunstmuseums St.Gallen und Kurator der Paul-McCarthy Ausstellung in der Lokremise in Zusammenarbeit mit Laura Bechter, Kuratorin der Sammlung Ursula Hauser.