Todd Haynes – Master of Queer Cinema

Poison

US 1991, 85 Min., DCP, E/d, ab 16 Jahren
Regie: Todd Haynes
Darst.: Edith Meeks, Larry Maxwell, Susan Norman, Millie White, Buck Smith, Anne Giotta, Lydia Lafleur, Ian Nemser, Rob LaBelle, Evan Dunsky, Marina Lutz u.a.

Drei in Form und Inhalt völlig unterschiedliche Episoden über gesellschaftliche Aussenseiter verwebt Todd Haynes in seinem furiosen Langfilmdebüt zu einem Triptychon um Liebe, Sexualität und Gewalt, das zum Pionierwerk des New Queer Cinema werden sollte. Der siebenjährige Richie Beacon hat seinen Vater erschossen, ist danach durch das Fenster davongeflogen und seither verschwunden. In Form einer populistischen TV-Dokumentation berichtet «Hero» anhand von Interviews mit der verstörten Mutter, Nachbar:innen und Mitschüler:innen des Jungen von dem seltsamen Vorfall. Im Stil eines schwarz-weissen Science-Fiction-B-Movies der 1950er-Jahre erzählt «Horror» von einem Wissenschaftler, der versehentlich ein Elixier mit der Essenz des menschlichen Sexualtriebs einnimmt und darauf zu einem höchst ansteckenden Aussätzigen mutiert. «Homo» schliesslich beschreibt von geradezu traumwandlerischen Sequenzen durchzogen die Liebesbande zweier Gefängnisinsassen, die bereits ihre Jugend in derselben Besserungsanstalt verbracht haben, und beschwört «Un chant d’amour», den einzigen Film des französischen Autors Jean Genet, dessen Schriften auch die ersten beiden Episoden inspiriert haben. Nach seiner Weltpremiere 1991 am renommierten Sundance Film Festival, wo er mit dem grossen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, und seinem Erfolg an der Berlinale, wo er den Teddy Award für den besten queeren Film gewann, avancierte «Poison» zu einem der am heftigsten diskutierten Filme der frühen 1990er-Jahre und stiess insbesondere in konservativen Kreisen auf Empörung. Dennis Lim schrieb 2010 rückblickend in der New York Times, «Poison» habe nicht höflich um Toleranz gebeten, sondern queere Identität reflektiert und die Dringlichkeit von Aids-Aktivismus aufgezeigt. Und Jan Künemund kommentierte 2016 in Der Spiegel: «Ein Publikum, das nach Filmbildern von schwulem und lesbischem Leben hungerte, feierte den experimentellen Abgesang auf die Integration in den Mainstream – denn der sah der Community gerade beim Sterben zu. ‹Poison› hatte eine ästhetische Sprache für die neuen Ausgrenzungen durch Aids gefunden, die sich nicht mehr in Feel-Good-Movies erzählen liessen.»

 

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