Fredi M. Murer – Chronist und Visionär

Grauzone

CH 1979, 101 min, DCP, Dialekt/d, ab 14 Jahren
Regie: Fredi M. Murer
Darst.: Giovanni Früh, Olga Piazza, Ernst Stiefel, Mathias Gnädinger, Michael Maassen, Jürgen Brügger, George Reinhart, Ernst Kühni u.a.

Getarnt als kaufmännischer Angestellter arbeitet Alfred für einen Grosskonzern als Abhörspezialist. Zusammen mit seiner Frau Julia wohnt er im 16. Stock eines Hochhauses in Zürich. Eines Tages wird das kinderlose Paar mit einer mysteriösen Epidemie konfrontiert, welche die Regierung geheim halten will. Doch die Medien spielen nicht mit und informieren die Bevölkerung. Zwei Tage später gibt die Regierung bekannt, alles sei nur eine Übung für den Ernstfall gewesen. Es gibt wohl kein anderes Werk des neuen Schweizer Films, das so visionär ist wie Fredi Murers erster Langspielfilm. Atmosphärisch dicht beschwört er eine von Orientierungslosigkeit und Anpasserei geprägte Schweiz Ende der 1970er-Jahre herauf. Der Filmtitel wurde wenig später von Martin und Stefan Eicher gekapert für den Namen ihrer Band, die mit dem Hit «Eisbär» Furore machte. «Grauzone» nahm viel von dem vorweg, was kurz darauf zum Ausbruch der 1980er-Unruhen führte; der Film antizipierte auch den Fichenskandal von 1989 und 1990 – und die Covid-19-Pandemie. Ausserdem erfuhr Murer damals drastisch, wie ernst ihn gewisse Kreise nahmen: «Grauzone» lief in Zürich bereits im Kino, als eines Nachts ein Pflasterstein mit einem Zettel und der Aufforderung «Hau ab nach Moskau!» durch sein Schlafzimmerfenster flog. Als der Filmemacher am nächsten Morgen feststellen musste, dass die Radmuttern seines Autos entfernt worden waren, wurde ihm unwohl und er ging zur Polizei. Auf der Wache fragten ihn die Beamten, ob er Feinde habe. Murer antwortete, er könne sich den Vorfall nur mit seinem Film «Grauzone» erklären. Die Polizisten hatten davon noch nie etwas gehört, versprachen aber, sich den Film im Kino anzusehen. Als Murer ein paar Tage später erneut auf dem Posten nachfragte, wurde er mit den Worten empfangen: «Wenn Sie solche Filme machen, müssen Sie sich ja nicht wundern.» Ganz anders reagierte Louis Skorecki, Kritiker der Cahiers du Cinéma: «Den besten Film in Locarno 1979 habe ich mir für den Schluss aufgehoben: ‹Grauzone›. Eine hyperrealistische Parabel und ein ethnologischer Science-Fiction darüber, was sich heute in der Schweiz abspielt (…). Was den Film, seine Einzigartigkeit, ausmacht, ist diese ganz neue Mischung aus dokumentarischer Wahrnehmung der Wirklichkeit und unerwartetem Auftauchen von Wahn und Trugbild.»

 

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