Fredi M. Murer – Chronist und Visionär

Wir Bergler in den Bergen sind eigentlich nicht schuld, dass wir da sind

CH 1974, 113 min, DCP, Dialekt/d, ab 12 Jahren
Regie: Fredi M. Murer

Ursprünglich wollte Fredi Murer fünf in die Gegenwart verlegte Urner Sagen verfilmen. Doch im Laufe seiner Recherchen erschien ihm das, was seine Gesprächspartner über persönliche Historie und aktuelle Lebensrealitäten erzählten, interessanter als alte Geschichten von guten Geistern und bösen Kräften. So entstand sein erstes «nicht-experimentelles», langes Kinowerk, ein Dokumentarfilm über das Leben von ehemaligen und gegenwärtigen Bergbauern im Kanton Uri. Wie eine Sinfonie definiert der Regisseur sein Werk im Vorspann als «Film mit Urnern in drei Sätzen»: 1 – Göschener Tal «Es muss eine ganz andere Änderung geben im ganzen Ding da»; 2 – Schächental «Diese Kinder haben bereits die Leidenschaft vom Älplerwesen geerbt»; 3 – Maderanertal «Aber wir sagen uns manchmal hier oben, wir sind so Bürger zweiter Klasse». Die Sätze sind Originalzitate der Betroffenen in den drei Kantonsteilen, wo sich der Epochenwandel in unterschiedlicher Weise manifestiert. In seiner Machart (weitgehendes Voiceover der Protagonisten) und in seiner Herangehensweise (ausschliesslich den Betroffenen das Wort geben) wirkt der wunderschön fotografierte Film (Kamera: Iwan Schumacher) auch nach fast fünfzig Jahren formal wie inhaltlich äusserst modern. Bereits hier, in dieser ethnografischen und kulturkritischen Studie, zeigt Murer sich als der Visionär, als der er mit seinen späteren Filmen berühmt wurde: Er schuf hier etwas wie ein Urbild für das, was er elf Jahre später in «Höhenfeuer» zur visuellen Vollendung führen würde. Jahrzehnte später, 2015, schrieb Murer: «Wenn ich an die Drehtage bei den Urner Berglern zurückdenke, waren diese für mich immer wie eine Reise in die Vergangenheit – zu meinen Ahnen. Vermutlich waren es nicht nur meine Ahnen, denn hierzulande gibt es wohl kaum eine Familie, deren Stammbaum früher oder später nicht auf bäurische Vorfahren zurückgehen würde. Erst viel später, als ich den Film an viele Festivals nach Skandinavien, Russland, Nord- und Südamerika und sogar nach Japan begleitete, realisierte ich, dass ich eigentlich einen Film über das Wesen der Bergvölker nicht nur der Schweiz, sondern dieser Erde gedreht habe.»

 

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